Entstehung und Geschichte des Kreisehrengardentreffens

Nach dem Kriegsende 1945 wurde das Schützenwesen in den Vereinen in Deutschland durch die alliierten Siegermächte verboten. Erst einige Jahre später wurde dieses Verbot gelockert, was zur Wiederbelebung vieler traditioneller Vereine führte, unter anderem auch bei dem Schützenverein „Hinter den drei Brücken“ in Warendorf.

Im Zuge der Wiederherstellung des Vereinslebens wurde 1950, wie in vielen anderen Schützenvereinen zum damaligen Zeitpunkt auch, die Ehrengarde „Hinter den drei Brücken“ gegründet. Diese sollte getreu ihres Selbstverständnisses das Aushängeschild des Vereins bilden, wobei insbesondere die Förderung des Nachwuchses gepflegt werden sollte. Die Jugend legte sich schmucke Uniformen zu und stach beim Schützenfest äußerst positiv heraus. Nicht ohne Grund konnte man sie als „Schmuck des Vereins“ bezeichnen.

Nicht nur in Warendorf, sondern auch in den umliegenden Gemeinden des Altkreises Warendorf bildeten sich in den jeweiligen Vereinen Ehrengarden. So entstand im Jahr 1954 im Verein „Hinter den drei Brücken“ die Idee, ein jährlich wiederkehrendes Treffen mit gleichzeitigem Wettbewerb aller bis dahin bekannten Ehrengarden im Kreisgebiet ins Leben zu rufen, um so die Freundschaft unter den Vereinen zu fördern und das Zusammengehörigkeitsgefühl – auch über Vereinsgrenzen hinaus – zu stärken.

Hauptfürsprecher der aufgekommenen Idee waren der damalige Vorsitzende des Vereins „Hinter den drei Brücken“, Aloys Schildmacher und seine Vorstandskollegen, die eine kreisweite Versammlung aller Vereine einberiefen. Die Versammelten fanden diesen Vorstoß lobenswert und beschlossenen, einen kleinen Wettkampf zwischen den Ehrengarden zu veranstalten.

Zu diesem Zweck wurde eine Satzung mit Bedingungen für einen sportlichen Wettkampf ausgearbeitet. Eine Urschrift hiervon ist leider nicht mehr vorhanden, sie wurde jedoch mit Laufe des Wettbewerbes mehrmals geändert und gilt heute noch in der Fassung aus dem Jahr 2013.

Wettkampfcharakter

Der Wettkampfcharakter kommt durch ein Vergleichsschießen der Garden untereinander sowie durch eine Marschwertung zustande. Zunächst tritt ein Schießteam je Garde bestehend aus fünf Schützen an, wobei das Ergebnis von vier dieser Schützen in die Wertung gelangt.

Geschossen wird in einem geschlossenen Raum bei Kunstlicht mit neutralen Luftgewehren des Kalibers 4,5 mm auf eine 10er Ringscheibe aus zehn Metern Entfernung. Es werden jeweils fünf Wertungsschüsse abgegeben, die maximal zu erreichende Ringzahl ist folglich 50 Ringe. Anschließend wird zusätzlich ein Stech-Schuss geschossen, der im Falle eines Gleichstandes der Schützen über die Platzierung entscheidet. Diese Vorgehensweise orientiert sich an den Vorgaben des Deutschen Schützenbundes und unterstreicht den sportlichen Charakter des Kreisehrengardentreffens.

Der zweite Teil der Wertung und dabei der Teil, bei dem jeder Gardist und jede Gardistin gefordert ist, ist die Marschwertung. Die Garden marschieren hierbei in geschlossener oder offener Formation auf einer 100 m langen Wertungsstrecker an einer Musikkapelle vorbei. Hierbei werden die Garden von Wertungsrichtern, von jeder teilnehmenden Garde eine/r, genauestens unter die Lupe genommen. Beurteilungskriterien sind vor allem das einheitliche Erscheinungsbild der vorbeimarschierenden Garde, die Seitenausrichtung der einzelnen Rotten, der exakte Gleichschritt sowie die dazu passende Arm- und Gewehrhaltung, um hier nur einige Kriterien aufzuzählen. Diese veranschaulichen jedoch bereits das unablässige Bemühen der einzelnen Garden um akkurate Uniformen, Hüte und Handschuhe. Ob die Garden bei diesem Vorbeimarsch indes Gewehre, Hellebarden oder auch Regenschirme mitführen, bleibt ihnen selbst überlassen. Nach einem durch die Satzung vorgeschriebenen Bewertungsschema vergeben die begutachtenden Wertungsrichter zwischen sechs Punkten (ausreichend) und zehn Punkten (vorzüglich).

Es verwundert bei einem Blick auf die Kriterien der Marschwertung somit nicht, dass auch hierfür wie für das Schießen viel Wert auf das Training durch die einzelnen Garden gelegt wird.

Premiere

Das erste Kreisehrengardentreffen fand im Jahr 1955 an der Tönneburg in Warendorf statt. Zur Premiere nahmen etwa 10 Ehrengarden des Kreises Warendorf am Treffen teil. Objekt der Begierde im Wettstreit unter den Garden war hierbei eine Wanderstandarte, die vom Verein „Hinter den drei Brücken“ gestiftet worden war. Auch heute noch ist sie begehrt unter den Teilnehmern, darf doch derjenige im anschließenden Jahr Ausrichter des Treffens sein, der die Standarte gewinnt. In den Anfangsjahren verhielt es sich so, dass oftmals der Gewinn der Wanderstandarte unter einigen wenigen Vereinen ausgemacht wurde.

Um zu verhindern, dass immer nur besonders treffsichere und marscherprobte Ehrengarden die Standarte errangen, wurde die Ursprungssatzung alsbald geändert. Es wurde eine so genannte Sperrfrist eingeführt, die automatisch mit dem Gewinn und der damit verbundenen Ausrichtung des Festes eintritt. Dies bildet auch eine Besonderheit des Kreisehrengardentreffens. Nicht automatisch der Erste des Wettbewerbes gewinnt die Wanderstandarte und damit das Recht, das Treffen im folgenden Jahr auszurichten. Eine teilnehmende Garde konnte nur in den Genuss der nächsten Ausrichtung kommen, wenn sie das Treffen seit vier Jahren nicht mehr ausgerichtet hatte. Im weiteren Verlauf wurde, um eine noch größere Abwechslung zu erreichen, die Dauer der Sperrfrist nochmals verlängert, von zunächst vier auf sieben und dann auf die heute noch gültigen 10 Jahren.

Seit dem Jahr 1993 und der Kreisversammlung in Beelen, begleitet von teils heftigen und kontrovers geführten Diskussionen erfolgte eine weitere, grundlegende Veränderung der Satzung, die wiederum zum Ziel hatte, es jeder teilnehmenden Garden zu ermöglichen, in den Genuss der Ausrichtung des Kreisehrengardentreffens zu kommen. Das Teilnehmerfeld wurde sprichwörtlich zweigeteilt. Auf der einen Seite die Garden, die bereits die Wanderstandarte erringen konnten und auf der anderen Seite solche Garden, die sie noch nicht gewonnen hatten. Es wurde die Regelung getroffen, dass in geraden Jahren nur die Garden die Wanderstandarte erringen können, die bereits Ausrichter des Kreisehrengardentreffens waren und keiner Sperrfrist mehr unterliegen. In ungeraden Jahren bekamen die Teilnehmer die Chance auf den Gewinn der Wanderstandarte, die noch nie Ausrichter des Kreisehrengardentreffens waren. Diese Regelung hat nicht nur den Zweck, weiter abwechselnde Ausrichter zu erreichen, sondern zudem vor allem neu teilnehmenden Garden bessere Chancen für die Ausrichtung des Wettbewerbes einzuräumen.

Schiedsgericht

Hauptansprechpartner für Fragen zur Satzung und zu sonstigen Begebenheiten rund um das Kreisehrengardentreffen, aber insbesondere auch verantwortlich für die Auswertung des Schießens, des Marschierens sowie der sorgfältigen und fehlerfreien Durchführung des Treffens ist das Schiedsgericht.

Dieses besteht aus einem Oberschiedsrichter und vier weiteren Schiedsrichtern, wobei der Oberschiedsrichter vom Stifterverein der Wanderstandarte, dem Schützenverein „Hinter den drei Brücken“ gestellt wird. Die weiteren Mitglieder des Schiedsgerichtes werden durch die Kreisversammlung gewählt.

Aufzeichnungen aus den Anfängen des Kreisehrengardentreffens über die Zusammensetzung des Schiedsgerichtes und insbesondere zur Person des Oberschiedsrichters sind nicht mehr vorhanden. Bernhard Kämmer, in Personalunion auch Präsident des Schützenvereins „Hinter den drei Brücken“ übte die Funktion des Oberschiedsrichters lange Jahre bis zu seinem Tod aus. Ihm folgte 1982 der Vorsitzende der Sportschützen „Hinter den drei Brücke“, Franz Beuse. Nach langer und schwerer Krankheit musste Beuse sein Amt jedoch niederlegen. Ihm nachfolgte 1987 Franz Kombrink, der seine Funktion als Oberschiedsrichter 25 Jahre ausübte, ehe er zum Kreisehrengardetreffen 2012 an Horst Schwingeler übergab, der selbst seit 1990 Mitglied des Schiedsgerichtes und zudem sein Stellvertreter war. Auch Horst Schwingeler musste aufgrund von schwerer Krankheit sein Amt niederlegen, so dass 2019 der 30-jährige Mattias Schwingeler zum Oberschiedsrichter bestimmt wurde.

Gegenwart und Zukunft

Im Laufe der Jahre wurde das Kreisehrengardentreffen immer beliebter, bei Zuschauen wie vor allem auch bei teilnehmenden Garden. Nahmen wie bereits erwähnt am ersten Treffen noch zehn Garden teil, liegt die Teilnehmerzahl zur heutigen Zeit stabil bei ca. 30 Garden. Auch die Emanzipation hat vor dem Schützenwesen selbstverständlich keinen Halt gemacht, und so nahmen mit der Zeit auch immer mehr Damengarden beim jährlichen Kreistreffen teil.

Im Marschieren und auch im Schießen stehen die weiblichen Gardistinnen ihren männlichen Kollegen natürlich in nichts nach. So waren beispielsweise Annette Pelkmann (Damengarde St. Hubertus Harsewinkel) 1998 mit 49 Ringen  oder Katrin Meyering (Damengarde Everswinkel) 2018 mit 50 Ringen beste Einzelschützinnen. Erstmals gelang es der Damengarde der Schützenbruderschaft St. Hubertus Harsewinkel im Jahr 1997 die Wanderstandarte zu erringen und das nachfolgende Treffen im Jahr 1998 auszurichten. Zuletzt zeigte sich die Damengarde des Schützenvereins „Hinter den drei Brücken“ 2019 beim Kreisehrengardentreffen in Sassenberg erfolgreich, und konnte so zum Abschluss des Treffens den Gewinn der Wanderstandarte verbuchen.

Um die Freundschaft zwischen den Vereinen noch weiter zu verbessern wurde 1978 die Veranstaltung eines Herrenabends, inzwischen Damen- und Herrenabend, im Herbst eines jeden Jahres ins Leben gerufen. Dies steht auch im Einklang mit den Grundgedanken der „Gründerväter“ des Kreisehrengardetreffens. Im dazu passenden dritten Paragraphen der Satzung heißt es wörtlich: „Das Kreistreffen hat den Zweck, im Sinne echten Schützengeistes ein Bekenntnis gut nachbarschaftlicher Zusammengehörigkeit abzulegen, um so dem Schützenwesen Bestand und Aufschwung zu geben. Aus diesem Grund wird dem gesellschaftlichen Teil des Treffens breiter Raum gegeben.“

Und so bildet das Kreisehrengardentreffen ein Symbol für gelebte Historie und Tradition, die den Blick auf Zukunft nicht außer Acht lässt und sich nicht vor Neuerungen verschließt.